GLAUBE

SHUTTERSTOCK.COM/ PRIXEL CREATIVE

Die Wahrheit ist real und analog


Die Online-Bibel hat pragmatische Vorteile. Aber: Ist es dasselbe, ob wir Gottes Wort in einer realen Bibel wahrnehmen oder als digitale Repräsentanz? Plädoyer für Gottes Wort zwischen Buchdeckeln.

Thomas Lachenmaier

Immer mehr Christen lesen die Bibel in einer digitalen Version: als Download auf dem Handy, einem Tablet oder auf dem Laptop. Das hat Vorteile. Es bietet Möglichkeiten, die man bei der gedruckten Bibel nicht hat. So kann man über Suchbegriffe schnell eine Bibelstelle finden oder innert Sekunden eine andere Übersetzung zum Vergleich heranziehen. Dennoch sollte man sich bewusst sein, dass es nicht dasselbe ist, eine Sache digital oder analog wahrzunehmen.

Das gilt in mehrfacher Hinsicht. So bringen es die digitalen Medien mit sich, dass der «User» im Zentrum steht: Er ist es, der hier oder da hin- oder wegklickt, der diese oder jene von etlichen Möglichkeiten nutzt. Die digitale Nutzung biblischer Texte legt eine bestimmte Haltung nahe: Man ist wie der Herr über die Sache, man kann (ab-) schalten und walten, wie man will. Die Sache muss einem verfügbar sein, und sie ist einem auch, technisch gesehen, verfügbar. Wer digital oder im Internet unterwegs ist, erfährt: Alles ist mir untertan. Mein Interesse, mein Wille geschehe. Der Text ist ihm verfügbar. Wer ein Buch, insbesondere die Bibel, in die Hand nimmt, hat prinzipiell vergleichbare Möglichkeiten: Er kann sie hier oder da aufschlagen, mit diesem oder jenem speziellen Interesse die Lektüre beginnen. Dennoch: Der Leser begegnet der gedruckten Bibel gewissermassen zwangsläufig in einer demütigeren Haltung. Er hält sie in der Hand, er hat sie nicht in der Hand.

Sie ist nicht einfach verfügbar. Das gedruckte Wort steht unveränderbar vor ihm. Das Wort Gottes in seiner gedruckten Form ist dem Leser ein Gegenüber, zu dem er sich verhalten muss. Die gedruckte Bibel ist mehr als ein beliebiges anderes Objekt. Sie tritt dem Leser gewissermassen wie die Objekt gewordene Stimme Gottes, wie als Subjekt entgegen.

Wohl kann er dem geschriebenen, gedruckten Wort in dieser oder jener Weise, mit diesem oder jenem Interesse begegnen. Er kann es ablehnen. Aber er, der Leser, ist es, der sich verhalten muss. Zur analogen Bibel, sogar wenn sie im Regal steht, muss man sich verhalten. Man steht nicht selbst im Zentrum. Das Wort steht im Zentrum. Manchmal steht es einem sogar im Weg.

Wenn man die reale Bibel aus der Hand gelegt hat und sie wieder im Regal steht, so ist sie dennoch da. Und das ist einem bewusst. Die weggeklickte Bibel ist nicht mehr da. Sie ist nicht mehr existent. Sie ist nur potenziell verfügbar, wenn und wann es einem beliebt, und taucht dann als temporäre Pixel wie auf einer Folie auf (falls es keinen Stromausfall gibt und der Akku noch Energie hat). Sie hat dieselbe Erscheinung wie die in mehrfacher Hinsicht grenzenlosen Manifestationen aus dem Internet und ist diesen darin technisch gesehen gleich(un-)wertig. Das ist etwas anderes als eine Realpräsenz.

Das gedruckte Wort Gottes ist dem Leser ein Gegenüber, zu dem er sich verhalten muss. Manchmal steht es einem auch im Weg.

Solange die Online-Bibel nicht auf dem Bildschirm ist, ist sie nur eine Option von Millionen, die man auf den Bildschirm des Tablets zaubern kann. Sie existiert nur auf Abruf – und auch das nur virtuell. Sollte das das Gleiche sein wie Gottes Wort als Buch, mit einem Anfang und einem Ende, Gottes Wort zwischen zwei Buchdeckeln? Zeigt sich Gottes Gnade nicht auch darin, dass er uns mit einem scheinbar so begrenzten Medium wie Buchstaben – auf Papier gedruckt oder früher auf Pergament geschrieben – von seiner Ewigkeit und allwissenden Weisheit kündet?

Über die Wahrheit kann man digital oder analog kommunizieren. Aber die Wahrheit an sich ist nicht digital und virtuell, sondern sie ist real und analog. Jesus ist keine Cyber-Projektion und er ist keine digitale Erscheinung. Er ist real und wahrhaftig. Gott ist die ultimative Wirklichkeit. Jesus lebt, und er lebt im realen Wort. Er identifiziert sich mit dem Wort, in dem er ist, mit dem er identisch ist. Wir lesen das in Johannes 1, Vers 1: «Im Anfang war das Wort und das Wort war bei Gott, und Gott war das Wort. Dasselbe war im Anfang bei Gott.» Gott war und ist das Wort.

Zeigt sich Gottes Gnade nicht auch darin, dass er uns mit einem scheinbar so begrenzten Medium wie Buchstaben – auf Papier gedruckt oder auf Pergament geschrieben – von seiner Ewigkeit kündet?

Sein Wort liegt real vor, Gott öffnet sich uns, macht sich uns zugänglich, schwarz auf weiss gedruckt auf Papier zum Anfassen. Das ist einzigartig in der Mediengeschichte der Menschheit: Die Wahrheit liegt analog, buchstäblich greifbar vor. Wir brauchen nur zuzugreifen: «Kommt und seht!» (vgl. Matth. 28,6; Joh. 1,39). Das heisst nicht, dass man die Bibel nicht auch online lesen soll. Aber man sollte sich des besonderen Sachverhalts bewusst sein, den Unterschied verstehen. Hat es eine Auswirkung auf die Wahrnehmung des Gelesenen, wenn ich es ausschliesslich digital lese? Das ist wahrscheinlich. Es ist gut, sich bewusst zu machen, dass die Wahrheit analog vorliegt. Es ist gut, das wertzuschätzen.

Wie bei allem, was wertvoll ist, so gilt auch hier: Das Wort Gottes ist potenziell gefährdet, es erfährt Widerstand und Behinderung – in vielen Ländern ist es schon heute verboten. Wer weiss, ob gedruckte Bibeln immer verfügbar sein werden? Wird es dann eine digitale Version geben, und wenn ja: Wird sie verlässlich sein, wenn die gedruckte Bibel nicht mehr verfügbar, verboten ist? Welchen Wert wird sie haben?

Das (bereits) gedruckte Wort Gottes, die Bibel im Regal, hat einen Vorteil, der von grosser und wohl zunehmender Relevanz ist: Sie ist fälschungssicher. Bei digitalen Bibelversionen sind Fälschungen nur ein paar Klicks entfernt. Das mag heute kein Problem und keine Gefahr sein. Aber wird das so bleiben? Jeden Tag gerät Gottes Wort mehr unter Druck. Die Wahrheit ist vielen ein Dorn im Auge. Auch dessen sollte man sich bewusst sein. Gottes Wort steht fälschungssicher bei jedem im Regal. Der beste Weg, damit umzugehen, ist, danach zu greifen, das Buch aufzuschlagen, zu blättern – und zu lesen und dem dreieinigen Gott zu begegnen. Gottes Wort ist real. 

Nächster Artikel
X
Nächster Artikel
X
Ein unermesslicher Segen
X
aus factum 07/2019
Dieser Artikel ist aus
X
factum 07/2019

factum 07/2019

2019-09-05

EDITORIAL

Cover

l EDITORIAL

Liebe Leserin, lieber Leser Gott ist Richter. Er richtet auf, er richtet aus. «Gott ist der Begnadiger und der Begradiger», schrieb factum-Autor Roman Nies einmal. Ein Beispiel dafür ist der französische Philosoph Fabrice Hadjadj. Er war ein glühender Atheist, ein Nihilist. Hadjadj entstammt einer…

LESERBRIEFE

l LESERBRIEFE

Glaubensstärkende Artikel zu: «Von der Frucht des Geistes», 2/19 Ich möchte mich sehr herzlich für Ihr überaus interessantes, spannendes und zeitaktuelles Magazin bedanken, das ich seit vielen Jahren abonniert habe. In jeder Ausgabe sind Artikel enthalten, die mich auch in meinem Glauben an unseren…

MENSCH

Cover
Physik/Gesellschaft

l Das ist ein Himmelszeichen

Gott hat der Menschheit das optisch-physikalische Wunderwerk des Regenbogens als Ausdruck seiner unverbrüchlichen Treue gegeben – ein Himmelszeichen seines ewigen Bundes, die Versicherung seiner Liebe. Wenn man Menschen heute fragt, wofür der Regenbogen steht, dann fällt ihnen…

POLITIK UND GESELLSCHAFT

Cover

l POLITIK UND GESELLSCHAFT

Luxemburg Aktive Tötung bald ein «natürlicher Tod»? Luxemburg will die «Tötung auf Verlangen» und ärztlich assistierte Suizide künftig als «natürliche Tode» klassifizieren. – (fa.) Der Regierungsrat verabschiedete einen entsprechenden Gesetzesentwurf. 2009 hatte Luxemburg beides legalisiert. Mit der…

ISLAM/GESCHICHTE

Cover

l Der Grösste Anzunehmende Unfall

Muslimischer Hass auf den Staat Israel wurzelt im Geschichtsverständnis des Islam. Dass nach 700 Jahren islamisch-osmanischer Herrschaft Israel wiedergeboren wurde, passt nicht in den Rahmen.

POLITIK

Cover

l Alles für die Wiederkehr des Imam

Viele westliche Politiker glauben, der Iran sei letztlich ein «rationaler Akteur». Damit unterschätzen sie die Wirksamkeit und Brisanz der apokalyptischen Ideologie des Regimes.

MIGRATION/GESELLSCHAFT

Cover

l Ein Willkommen den Gutwilligen

Die Bibel lehrt, die «Fremdlinge» im Land zu lieben. Aber sie macht auch klar, dass sich Zuwanderer an die Gesetze des Gastlandes halten müssen.

WIRTSCHAFT

Cover

l Die Bedürfnisse des Anderen

Der Erfolg der Marktwirtschaft gründet im christlichen Menschenbild. Der atheistische Marxismus, und in der Folge Sozialismus und Kommunismus, forderten Millionen von Menschenleben.

FOCUS

Cover

l FOCUS

Früher aufstehen. In dieser wirren Zeit braucht es einen klaren Verstand, aber auch Standvermögen, um dem Sturmwind der immer abwegigeren Meinungsvorgaben standzuhalten. Aus allen Medienkanälen blasen einem die Versatzstücke eines Weltbildes entgegen, welches von den Wogen des Zeitgeistes hin und…

INTERVIEW/GLAUBE

Cover

l Als wäre eine Quelle aufgesprungen

Liederdichter, Evangelist, Musiker und ethos/factum-Autor: Jörg Swoboda hat sich von der «einzigen Demokratie im Nahen Osten» zu einer CD und einem Liederheft anregen lassen.

POLITIK/EUROPA/ISLAM

Cover

l Das wirksame Gerücht

Antisemiten streuen «das Gerücht über die Juden», um sie auszugrenzen. Europa versteht nicht, dass «das Gerücht über Israel» dieselbe Verleumdung ist – und verliert seine jüdische Bevölkerung.

NATUR

Cover
Christentum/Geschichte

l Christen konnten ihren Glauben frei leben

Kein anderes Ereignis hat das Leben auf der Erde so radikal verändert wie das Leben Jesu, seine Kreuzigung und Auferstehung – und so schnell. Der Glaube an Jesus als den in der Bibel verheissenen Messias verbreitete sich zügig im Nahen Osten und darüber hinaus. Jetzt wurde ein…

NATUR UND WISSENSCHAFT

Cover

l NATUR UND WISSENSCHAFT

Israel/Umwelt Kunststoff aus Abfall Das israelische Unternehmen UBQ hat einen Weg gefunden, unsortierten Hausmüll in eine Kreislaufwirtschaft zu integrieren. Es verwandelt Müll in ein homogenes Verbundmaterial. Dieses Material kann Plastik ersetzen oder zur Herstellung von Plastik verwendet werden. (…

SCHÖPFUNG

Cover

l Ohne Information kein Leben

Im Anfang war die Information, aber wo kam sie her? Sie kann nicht «von selbst» oder aus Materie entstehen. Die Bibel hat die Antwort, wo die Theorie von der Evolution scheitert.

INTERVIEW/NATURWISSENSCHAFT

Cover

l In Schönheit verwandelt

factum im Gespräch mit dem Physiker Dr. Alexander Fink über kosmische Feinabstimmung, die Schönheit des Universums und die Wahrheit der Evangelien.

SCHÖPFUNG/POLITIK

Cover

l Die Zeit der säkularen Wahrsager

Eine aktuelle im Wissenschaftsmagazin «nature» veröffentlichte Studie rechnet mit einer baldigen zyklischen Abkühlung des Klimas. Der postulierte Konsens über die Erwärmung existiert nicht.

GLAUBE

Cover
Statistik/Islam

l Die Fragen brechen auf

Sie tragen ein Kopftuch, aber sie sind nicht mehr wirklich vom Islam überzeugt: Immer mehr Muslime im Nahen Osten wenden sich vom Islam ab. Einer Umfrage des «Arab Barometer»-Instituts im Auftrag von «BBC News Arabic» zufolge kehren rund 20 Prozent der Menschen dem Islam den Rücken. (…


Cover

l Die Wahrheit ist real und analog

Die Online-Bibel hat pragmatische Vorteile. Aber: Ist es dasselbe, ob wir Gottes Wort in einer realen Bibel wahrnehmen oder als digitale Repräsentanz? Plädoyer für Gottes Wort zwischen Buchdeckeln.

LEBEN UND GLAUBEN

l LEBEN UND GLAUBEN

Mission Mission aus Israel Die Zahl von arabischen und jüdischen Israelis, die zum Glauben an Jesus finden, steigt und diese Jesus-Nachfolger sind sehr evangelistisch. Sie teilen mit innovativen Methoden ihren Glauben mit anderen Israelis. Jetzt missionieren sie auch im Ausland. (fa.) Die Zahl der…

BIBEL/ZEITGESCHEHEN

Cover

l Mit prophetischer Strahlkraft

Das am meisten verkannte Buch der Welt spricht in Klarheit von dem Kommenden. Schalom Ben Chorin, Religionsphilosoph, erkannte die Relevanz des prophetischen Wortes für unsere Zeit.

BIBEL

Cover

l Ein unermesslicher Segen

Die Bibel verheisst den Gläubigen sinnbildlich «Kronen» oder «Kränze» des Heils in der Ewigkeit. Die Freude darüber wird allen irdischen Schmerz, der mit dem Glaubensleben verbunden ist, vergessen lassen.

ERLEBT & BEWEGT

Cover

l Der Fehlercode

Ich war mit dem Auto auf der A4 unterwegs. Plötzlich piepte es aus dem Armaturenbrett und zwei Lampen leuchteten auf. Ich erschrak zunächst, beruhigte mich dann jedoch wieder. Mein Schwiegervater hatte mir mal gesagt: «Wenn die aufleuchtenden Lampen rot sind, musst du anhalten und unverzüglich…