
EDITORIAL
Liebe Leserin, lieber Leser
«Wahrheit ist Übereinstimmung mit dem einen, der ist.» Diesen bemerkenswerten Satz mit der Anspielung auf Gottes Selbstbeschreibung («Ich bin, der ich bin», vgl. 2. Mose 3,14) las ich bei der finnischen Schriftstellerin Beile Ratut. Wir können über diese Wahrheit nicht verfügen, schreibt sie weiter, aber wir können uns um sie bemühen, uns ihr angleichen. Auf das praktische Leben der Menschen bezogen definiert sie Wahrheit deshalb so: «Wahrheit ist der Weg der Angleichung an Gott, wie er uns in Jesus Christus erschienen ist.» Das scheint mir sehr klug, sehr weise zu sein.
Wer sich von Gott abwendet, wendet sich von der ultimativen Wirklichkeit ab, verliert seinen Zugang zur Wahrheit. Wahrscheinlich ist unsere Welt deshalb immer massiver von Lüge und Halbwahrheit, von Propaganda und Dummheit geprägt, weil das die unausweichliche Folge ist, wenn Menschen, ja ganze Gesellschaften, meinen, Gott ad acta legen zu können. Sie tauschen die Wahrheit Gottes gegen die Lüge und huldigen und dienen dem Geschöpf statt dem Schöpfer (vgl. Röm. 1,25). Ist das nicht eine präzise Beschreibung der Zustände unserer Zeit, in der der «Mutter Erde» gedient wird, von der geglaubt wird, sie habe Fieber bekommen?
«Wahrheit ist der Weg der Angleichung an Gott, wie er uns in Jesus Christus erschienen ist.»
Beile Ratut, finnische Schriftstellerin
Die «unvergängliche Kraft» des Schöpfers und seine Göttlichkeit kann an seinen Werken wahrgenommen werden. «Ruft nicht die Weisheit, und lässt nicht die Klugheit sich hören?», lehren die Sprüche Salomos (Spr. 8,1). Unsere Vernunft befähigt uns zur Erkenntnis Gottes (vgl. Röm. 1,20). Wer keinen Gebrauch von seiner Vernunft zu diesem, ihrem eigentlichen Zweck macht, dessen «unverständiges Herz» wird sich verfinstern. Intelligenz ist etwas anderes als Klugheit. Intelligenz schützt nicht davor, töricht zu werden. So kommt es, dass hochintelligente Menschen das dümmste Zeug glauben oder ihre Lebenszeit gar damit verschwenden, mit Professorenrang eine Systematik der vermeintlich unbegrenzten Zahl menschlicher Geschlechter zu erstellen. «Die sich für Weise hielten, sind zu Narren geworden», schreibt Paulus (vgl. Röm. 1,21 und 22), und: «Wo Hochmut ist, da ist auch Schande; aber Weisheit ist bei den Demütigen», lesen wir in Spr. 11, Vers 2.
Noch einmal zu dem Zitat der Schriftstellerin Beile Ratut: «Wahrheit ist der Weg der Angleichung an Gott, wie er uns in Jesus Christus erschienen ist.» Dieser Weg ist schmal, und er wird schmaler, je mehr sich die Gesellschaft auf den Weg begibt, die Welt retten zu wollen – ohne Gott, gegen Gott. Dr. Pekka Reinikainen sagt in dem Interview (ab S. 28): «Es ist ganz leicht, einen Christen in dieser gefallenen Welt zu ‹diagnostizieren›. Wenn ‹Jesus in Ihnen ist›, liebt die Welt Sie nicht immer und verachtet Sie manchmal.» Aber mag dieser Weg auch schmal sein und immer häufiger auch lebensgefährlich, so ist es doch beglückend, auf diesem Weg zu sein.
factum-Autor Harro Preiss hat mich darauf aufmerksam gemacht, dass das Wort in Matthäus 5, Vers 8 im Französischen so übersetzt wird: «Glücklich die reinen Herzen, denn sie werden Gott sehen.» Die übliche Übertragung aus dem griechischen Original ist ja: «... die reinen Herzens sind; denn sie werden Gott schauen.» Das ist schon ein Unterschied, ob jemand ein reines Herz hat, als Eigenschaft. Oder ob er als ganzer Mensch, mit Leib und Seele, ein reines Herz ist. Wie schön ist es doch dass Gott denen, die seine Kinder geworden sind, alle Sünde vergeben hat. Bei allem Scheitern – an dem wir auch zu Recht leiden – dürfen wir doch danach trachten, reine Herzen zu werden. Wir sind auf diesem Weg nicht allein, Jesus ist mit uns. Wir dürfen Gott um Wegweisung und Geleitschutz bitten: «Weise mir, HERR, deinen Weg, dass ich wandle in deiner Wahrheit; erhalte mein Herz bei dem einen, dass ich deinen Namen fürchte» (Psalm 86,11). Es ist gut, dass wir auf dem Weg sind.

Ihr Thomas Lachenmaier, Redaktionsleiter
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