
EDITORIAL
Glaubensprüfung. Mit theologischem Wissen sollte ein Asylbewerber aus dem Iran deutschen Beamten nachweisen, dass sein Wechsel vom Islam zum Christentum ernst gemeint ist und er deshalb zu Recht Asyl beantragt. Darüber berichtete die «Badische Zeitung». Der 35-jährige Mohammad Hosseini wurde von einer Verwaltungsrichterin unter anderem gefragt, welche Rolle Adam und Eva für die Kirche haben, wann der Dreifaltigkeitstag gefeiert wird und an welchen Apostel die Kirche am 29. Juni erinnert. Hosseini konnte tatsächlich die meisten der Fragen beantworten. Dies deshalb, weil er vor seiner Taufe in der evangelischen Kirchengemeinde Waldshut ein halbes Jahr lang aus persönlicher Überzeugung einen Intensivkurs in den Grundlagen des Glaubens besucht hatte. Einzig die Verbindung zwischen dem 29. Juni und den Aposteln Petrus und Paulus war ihm unbekannt geblieben. Hosseinis Asylantrag wurde in der ersten Instanz abgelehnt. Das Ergebnis der Revision, zu der die Anhörung gehörte, war bis zum Redaktionsschluss noch nicht bekannt.
Nur vorgespielt? Kann es sein, dass viele gebildete Iraner in Deutschland und der Schweiz nur deshalb zum Christentum konvertieren, um sich die Anerkennung als Flüchtling zu erschleichen? Nein, mit dieser Absicht haben sie ihre Heimat nicht verlassen. So einfach legt man den Koran nicht zur Seite, um die Bibel zu lesen. Sie besuchen nicht während Wochen Gottesdienste und Glaubenskurse, nur um sich den Anschein zu geben, sie seien jetzt Christ. Sie wissen: Damit ist keine Aufenthalts-Garantie verbunden. Verantwortliche Pfarrer und Pastoren weisen Asylsuchende darauf hin, dass eine Umkehr zu Jesus Christus nicht automatisch vor einer Ausweisung schützt. Konvertiten stehen vor zwei Hindernissen: Zum einen sind es die staatlichen Stellen hier und zum anderen die Reaktionen dort, in ihrem Herkunftsland, bei einer allfälligen Rückkehr. Wie ernst ist der Glaube der iranischen Christen? Für manchen Beamten dürfte die Tatsache, dass ein Mensch sich bewusst für Christus entscheidet, ein Novum sein, dem er mit Skepsis bis Unverständnis begegnet. Wie soll er ein persönliches Glaubensbekenntnis einordnen? Das steht nicht auf der Liste der akzeptierten Asylgründe. Mitunter hat dies zur Konsequenz, dass staatliche Gerichte immer öfter zu einer Art Religionsgerichtshof mutieren und zur Gewissensprüfung und zum Glaubenstest einladen. Die gefällte Entscheidung kann dramatische Folgen haben. Eine endgültige Ablehnung des Asylantrags und eine Zwangsrückführung in den Iran bedeutet für Menschen wie Mohammad Hosseini – einen aus iranischer Sicht vom Islam Abgefallenen – Lebensgefahr. Ein Iraner wird es sich gut überlegen, was er tut.
Geistlicher Aufbruch. Wir sind dem Phänomen des geistlichen Aufbruchs unter Iranern in Deutschland nachgegangen. Was Uwe Siemon-Netto bei seiner Recherche fand, ist bewegend. Er schreibt in Anlehnung an Martin Luther von einem «Platzregen des Heiligen Geistes». Ausgerechnet in einer der gottlosesten Ecken des Landes wenden sich Iraner reihenweise Jesus Christus zu. Sie atmen auf, in ihm Zugang zum Vater im Himmel gefunden zu haben. Davon erzählen sie. Und Kirchgemeinden beginnen zu wachsen. Auch Deutsche wollen jetzt wissen, weshalb hinter den Kirchenmauern wieder Leben ist.